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Stadtteil

Corona, Lockdown & die Frage der Schulen

Seit Mitte Dezember 2020 befinden wir uns in einem sogenannten verschärften Lockdown, welcher unter anderem durch die Schließung von Kitas und Schulen versucht, das Infektionsgeschehen weiter einzudämmen. Besonders diese Maßnahme ist dabei stark umstritten, stellt sie nicht zuletzt viele Menschen mit Kindern im Haushalt, die auch im Lockdown weiter ihrem Beruf nachgehen, vor die Herausforderung, sowohl der Betreuung der Kinder als auch den Anforderungen des Chefs gerecht zu werden.

Während Anfang des Jahres Kultusministerin Eisenmann versuchte, sich über die Forderung zur bedingungslosen Rückkehr zum Präsenzunterricht zu profilieren, reagierte der Ministerpräsident eher verhalten, um nach wenigen Wochen den Kompromiss zur stufenweisen Rückkehr zum Präsenzunterricht vorzustellen. Dieser Kompromiss wurde kurze Zeit später mit dem „überraschenden“ Auftauchen einer Virusmutation in einer Freiburger Kita aufgekündigt. Mit dem Ergebnis, dass Kitas und Schulen Mitte Februar am selben unzureichenden Punkt stehen wie Ende Dezember, als die Schulen mehr oder weniger überhastet geschlossen wurden.

Die Politik der Landesregierung ist dabei durch einen Pragmatismus gekennzeichnet, der weder den Bedürfnissen der lohnabhängigen Bevölkerung noch den Situationen der Schulen und Kitas gerecht wird. Die Debatte um die Schulen bzw. deren Öffnung wird uns auch 2021 weiter begleiten.

Von Bildungserfolg und sozialen Folgeschäden

Seitens der Befürworter*innen des Präsenzunterrichts werden Argumente angeführt, die oberflächlich betrachtet zunächst einmal sehr einleuchtend wirken. So dürfe auch in Zeiten der Pandemie der Bildungserfolg der Kinder nicht gefährdet werden, und weiter müsse beachtet werden, dass die lange Zeit der Schulschließung weitreichende soziale Folgeschäden für die Betroffenen nach sich ziehe. Also durchweg edle Motive, die in ihrer Umsetzung den Realitäten leider nicht gerecht werden. Denn es sah in Fragen der Bildungsmöglichkeiten und Chancen bereits vor der Pandemie nicht gerade rosig aus. Es ist bereits lange bekannt, dass gerade in der BRD die Bildungschancen und der sog. Bildungserfolg junger Menschen in einer großen Abhängigkeit zur sozioökonomischen Situation der Eltern stehen. So wurde und wird die Umsetzung des Rechts auf Bildung hierzulande schon seit jeher recht selektiv umgesetzt. Diese Tendenz verstärkt sich lediglich in der Corona Krise. Ökonomisch besser gestellte Elternhäuser mit einem akademischen Hintergrund verfügen über weitaus vielfältigere Möglichkeiten zur Förderung „ihrer“ Kinder, als das in Arbeiter*innenschichten der Fall ist. Daran ändert sich auch nichts, wenn nun zum Präsenzunterricht in der Pandemie zurückgekehrt wird.

Dieser stellt lediglich die physische Anwesenheit der Schüler*innen und die bessere Überprüfbarkeit ihrer Leistungen sicher. So dürfte dabei primär nicht der Bildungserfolg an sich, sondern eher seine zeitnahe Feststellung mittels Abschlusszeugnisses im Mittelpunkt stehen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Punkt der sozialen Folgeschäden. Das Bildungssystem verfügt momentan gar nicht über die notwendigen Mittel einen adäquaten Schulunterricht bzw. Betreuung unter Pandemiebedingungen zu gewährleisten, ohne dabei zahlreiche Ansteckungen und damit einen weiteren Kontrollverlust im Infektionsgeschehen in Kauf zu nehmen. Zwar wurden seit der sog. ersten Welle Mittel für den Aufbau einer digitalen Infrastruktur bereitgestellt, jedoch treffen diese auf ein Bildungssystem, das seit Jahren unter einem sog. Sanierungsstau leidet. Vor allem fehlt es an Konzepten, ausreichend Räumlichkeiten und geschulten Mitarbeiter*innen, die einen Unterricht bzw. eine Betreuung – ob nun in Mischform oder Präsenz – für Kindergartenkinder und Schüler*innen bei ausreichendem Gesundheitsschutz bereitstellen könnten. Nicht vergessen werden darf, dass eine Öffnung des Schulbetriebes in der momentanen Situation eine erhebliche Gefährdung des Personals an Schulen darstellt.

Dieser Punkt wiegt dabei umso schwerer, da seitens Elternbeirät*innen und der Gewerkschaften aus dem Lehr- und Erziehungsbereich bereits während des ersten Lockdowns zahlreiche Vorschläge zur Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen sowohl in den Bildungseinrichtungen als auch zuhause erhoben wurden. Dazu zählen die Anmietung weiterer Räumlichkeiten, Aufstockung des Betreuungspersonals und das Bereitstellen ausreichender und wirksamer Schutzausrüstung, um nur einige Beispiele zu nennen.

Mit diesem Hintergrundwissen wirken die vorgebrachten Argumente zur Gefährdung des Bildungserfolgs und zu sozialen Folgeschäden doch eher scheinheilig und es drängt sich der Gedanke auf, dass andere Motive im Forderung stehen.

Zu Schulabschlüssen und Verwahrung

Den Befürworter*innen einer Rückkehr zum Präsenzunterricht geht es zu einen um die Entlastung der berufstätigen Erziehungsberechtigten, damit sich diese wieder voll und ganz auf die Lohnarbeit konzentrieren zu können. Und zum anderen darum, die anstehenden Bildungsabschlüsse pünktlich zu liefern. Dies zeigt auch die Anpassung der Kriterien für die Notbetreuung. Während im ersten Lockdown lediglich Menschen, die in sogenannten systemrelevanten Berufen (Kassierer*innen, Krankenpfleger*innen, Ärzt*innen usw.) arbeiten, berechtigt waren, Kinder für die Notbetreuung anzumelden, sind dies nun alle Familien, in denen der Arbeit nachgegangen wird. Und weiter, dass in der Debatte um Schulöffnung stets auf die Jungen (also betreuungsbedürftigen Kinder) und die Abschlussklassen wert gelegt wird.

Damit zeigt sich ein Bild, welches sich durch weite Teile der Politik zur Bekämpfung der Pandemie hindurchzieht. Ökonomische Interessen bestimmen nach wie vor das Regierungshandeln und die Auseinandersetzung innerhalb dieser. Gesundheitsschutz und soziale Folgeschäden werden dabei eher am Rande behandelt und auch nur soweit, wie es Wirtschaftlichkeit und die Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit im Wertschöpfungskreislauf erlauben. Dabei gilt auch im Bildungsbereich, das Rad darf niemals stillstehen und es muss weiter pünktlich geliefert werden.

Nur solidarisch können wir die Pandemie erfolgreich bekämpfen

Dies zeigt einmal mehr auf, dass solange der Schwerpunkt der Bekämpfung sich an der Aufrechterhaltung von Profiten und für diese notwendigen Gesellschaftsstrukturen orientiert und nicht an den Bedürfnissen eines Großteils der Bevölkerung, werden sich weder unsere gesundheitliche noch unsere soziale Situation verbessern. Eher im Gegenteil. Besonders die Menschen, welche bereits vor der Pandemie ökonomisch schlechter gestellt waren, werden die Kosten der Pandemie tragen müssen. Auch im Bildungssystem. Dies bedeutet, dass wir eine Krise im Ausmaß der Corona-Pandemie nur solidarisch in unserem Interesse lösen können

Deshalb liegt es an uns, solidarische Perspektiven entgegen zu setzen, welche von unten erarbeitet werden.

Denn nur so werden die Fragen nach sozialen Verhältnissen und Gesundheitsschutz auch auf die Tagesordnung gesetzt. Auch wenn das Kultusministerium sich unter großem Protest von Eltern, Schüler*innen und Lehrer*innen-Vertretungen, die gesamte Corona Krise über weigert, die Betroffenen an Entscheidungen zu beteiligen bzw. in die Verhandlungen miteinzubeziehen, dürfte es ohne deren Engagement wohl wesentlich schlechter um die Situation in den Bildungseinrichtungen bestellt sein. Schon jetzt werden die vielen entstandenen Lücken durch die Eigeninitiative der Betroffenen gefüllt. Im Verborgenen und unbezahlt.

Wenn wir der Pandemie solidarisch entgegentreten möchten, gilt es hier anzuknüpfen. Den Menschen und seine Interessen in den Mittelpunkt zu stellen und politisch zu artikulieren. Es liegt an uns allen uns zu beteiligen, mitzugestalten und uns einzumischen, um die herrschende (Profit-) Logik zu durchbrechen. Im Stadtteil, in der Schule und im Betrieb.

Zusammen Kämpfen
Februar 2021

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