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Frauenkampf

Alle Jahre wieder Wasen – Heiterkeit, Süßes, Alkohol und Grenzüberschreitungen

Sexistische Traditionen benennen und bekämpfen!

Es war wieder Frühlingsfest. In den vergangenen Tagen folgte eine Diskussion um sexistische Bilder auf einigen der Wagen auf dem Cannstatter Frühlingsfest. Dies ist besonders im Zeitalter des 21. Jahrhunderts sehr zu begrüßen. Der Kompromiss, einige dieser Bilder zu entfernen – absolut sinnvoll. Die unterschiedlichen Standpunkte innerhalb dieser Diskussion – jedoch sehr ernüchternd.

Allein die Reichweite dieser Diskussion und der ganze Wirbel darum, ob nun Darstellungen, die Frauen* sexualisieren und somit diskriminieren, angemessen sind oder nicht, zeigt doch welch festen Platz Sexismus in unserer Gesellschaft noch hat. Es wird immer noch als normal angesehen Frauen auf ihren Körper zu reduzieren und als Ware darzustellen.

Wir sollten uns daher keinen Illusionen hingeben. Die Übermalung einiger sexistischer Bilder wird an dem grundlegenden Charakter des Festes nichts ändern. Wer sich mit Frauen unterhalten hat, die schon mal in einem Festzelt gearbeitet haben oder wer sich die polizeiliche Statistik zu sexualisierten Übergriffen und anderen Gewalttaten rund um das Fest ansieht, erkennt wie zutiefst sexistisch diese ganze Veranstaltung ist und Gewalt gegen Frauen befeuert.

In diesem Jahr fand das Frühlingsfest ohne Festzelte, also ohne Massen an betrunkenen Menschen statt. Die Folge war, dass die Straftaten um knapp zwei Drittel zurückgegangen sind. Dies bedeutete auch weniger betrunkene Männer(gruppen) in der Bahn und auf den Straßen von Bad Cannstatt. Es waren weniger Gruppen unterwegs, die glauben, nur weil Festzeit ist, „Mann“ sich jetzt fast alles erlauben könnte und es unglaublich attraktiv wäre in die Ecken zu kotzen. Somit gab es dieses Jahr auch weniger unsichere Orte für Frauen in dieser Zeit.

Interessant ist auch das Verhalten einiger konservativer Herren im Rathaus in Bezug auf diese Diskussion. Nicht auszudenken was mit den guten alten patriarchalen Traditionen passiert, wenn dieses feministische Gedankengut weiter um sich greift. Hier wird das Weltbild einiger Männer angegriffen. Gerade Herr Nopper hat sich in der Diskussion mal wieder von seiner besten Seite gezeigt: Auf einmal scheint er besonders um das Wohl der dort arbeitenden Schausteller*innen besorgt zu sein, obwohl dies im Winter zum Weihnachtsmarkt noch eher zweitrangig war, als die Schausteller*innen aufgrund Nopper´s übermütiger Zusage des Weihnachtsmarktes kurzfristig wieder alles abbauen mussten.

Die Herren beklagen bevormundet zu werden und würden um die freie Meinungsäußerung bangen. Ist das euer Ernst??

Wir Frauen werden durch den Sexismus, der in dieser Gesellschaft herrscht, jeden Tag bevormundet. Es beginnt bei der Frage was wir anziehen, gerade auch zur Wasenzeiten die Frage welchen Nachhauseweg wir nehmen sollten und ob noch genügend Geld da ist für ein Taxi, falls die Bahn ausfällt. Seit wir klein sind, wird uns eingetrichtert, was wir zu tragen haben, wie wir uns zu verhalten haben und was Mädchen und Frauen machen und eben nicht machen. Halten wir uns nicht an diese Regeln, heißt es oft wir wären selbst schuld an möglichen Übergriffen. Die üblichen Fragen, die wir alle kennen: „Hattest du etwas getrunken?“ oder „Was hattest du an?“ Diese Fragen wollen die Verantwortung, ja sogar eine gewisse Schuld an uns Frauen geben wenn Männer übergriffig sind und Frauen sexualisierte Gewalt erfahren.

Was ist unser Fazit? Natürlich sind die Wagen auf dem Frühlingsfest nicht Ursprung sexistischen Verhaltens. Doch sind sie wortwörtlich ein Abbild des Sexismus in der Gesellschaft und diesen wollen wir sichtbar und strukturell bekämpfen. Wir wollen, dass solche Darstellungen, die Frauen als Sexobjekte und als schwache, jeglicher Gefahr ausgelieferte Personen erscheinen lassen, verschwinden. Wir wollen das Problem an der Oberfläche angreifen und auch an der Wurzel packen. Wir wollen die Verhältnisse hinterfragen, in denen wir tagtäglich leben. Wir Frauen haben ein Anrecht auf ein gewaltfreies Leben ohne Angst und Unterdrückung. Um die Befreiung der Frau aus diesem Zustand zu erreichen, muss das Patriarchat bekämpft werden. Dazu müssen wir Frauen uns untereinander austauschen, uns treffen und organisieren. Gemeinsam sind wir stark und schaffen Veränderung!

Und an die Herren im Rathaus sei nur kurz gesagt: Willkommen im 21. Jahrhundert. Wir sind zwar noch weit entfernt von einer wirklichen Emanzipation der Frau, aber wir haben gelernt für uns selbst zu sprechen. Wir wissen selbst, welche Darstellungen, Sprüche und Verhaltensweisen sowas von daneben sind, uns sexualisieren und uns kleinhalten wollen. Wir brauchen keine (alten) weißen Männer, die meinen zu wissen wie die Welt tagtäglich für uns funktioniert und uns erklären wollen, wann die Diskriminierung von Frauen in Ordnung ist und wann nicht.

Frauenkollektiv Stuttgart

* Wir setzen das Wort Frau/Frauen für Personen, die sich als Frau definieren und/oder von der Gesellschaft als Frau gelesen werden und somit ähnliche Erfahrungen machen.
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