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Stadtteil

Kundgebungsbericht „Solidarische Perspektiven in Zeiten der Krise“ am 9. Oktober 2020

Am Freitagabend, 9. Oktober 2020 ging die Kundgebungsreihe „Für ein solidarisches Miteinander! Gerade in Krisenzeiten!“ in die dritte Runde. Dieses Mal zum Thema „Solidarische Perspektiven“. Es versammelten sich über 20 Personen am Lukasplatz in Stuttgart-Ost, die den Redebeiträgen lauschten, sich am Flyertisch informierten, der Musik zuhörten, miteinander ins Gespräch kamen, viel diskutierten und damit gemeinsam für einen solidarischen Stadtteil eintraten.

Neben Flyern, die an Passant*Innen verteilt wurden, gab es Redebeiträge von der Künstler*innen Soforthilfe, der Initiative Stuttgart-Ost Solidarisch und dem Stadtteilzentrum Gasparitsch. Zusätzlich gab es ein musikalisches Programm von Dr. Jay von Good Men Gone Bad.

Im Folgenden dokumentieren wir die gehaltenen Redebeiträge und den Aufruf zur Kundgebung:

Rede des Selbstverwalteten Stadtteilzentrums Gasparitsch

Rede von Joe Bauer zur Künstler*innen Soforthilfe

Rede von Stuttgart-Ost Solidarisch

Rede des Selbstverwalteten Stadtteilzentrums Gasparitsch

Liebe Nachbarinnen und Nachbarn, liebe Freundinnen und Freunde,

wenn es nur eine einzige Leitlinie für das Stadtteilzentrum Gasparitsch geben müsste, dann würde sie lauten „Für ein solidarisches Miteinander“. Daher freue ich mich heute hier im Namen des Stadtteilzentrum Gasparitsch sprechen zu können und das Projekt eines selbstorganisierten Stadtteilzentrums vorstellen zu können.

Denn der Grundgedanke eines solidarischen Miteinanders ist im Stadtteilzentrum Gasparitsch tief verankert und wir versuchen seit unserer Entstehung diesen hier – im Stuttgarter Osten – voranzutreiben. Als Leitlinie diente dabei unser Namensgeber, Hans Gasparitsch, der mit seinem antifaschistischen Engagement ein Vorbild für solidarisches Handeln und den Aufbau eines solidarischen Miteinanders war und weiterhin ist.

So haben wir uns vor nunmehr über 6 Jahren als Stadtteilzentrum auf den Weg gemacht einen selbstorganisierten und unabhängigen Raum für Kulturelles, Politisches und Soziales in Stuttgart-Ost zu schaffen, um einen Raum entstehen zu lassen, der von den Menschen in Stuttgart-Ost genutzt werden kann und der für diese auch da ist – unabhängig von staatlichen Institutionen und so weit es geht unbürokratisch.

Unser Ziel dabei ist der konkurrenzgetriebenen „Ellenbogen“-Mentalität und der damit verbundenen Individualisierung und Vereinzelung ein Schnippchen zu schlagen und damit unseren Teil zum Aufbau einer solidarischen Kultur und eines solidarischen Miteinanders beizutragen.

Konkret bedeutet das für uns, dass wir ein Raum sein wollen, der für alle da ist. Ein Raum, der als Begegnungsstätte von unterschiedlichsten Menschen dienen kann und damit auch ein Ort an dem gemeinsame Interessen entdeckt werden können.

Aber es bedeutet auch durch Getränke auf Spendenbasis und durch kostenlose Angebote wie Hausaufgabenbetreuung, Sport und Veranstaltungen allen eine Teilhabe an politischen, kulturellen und sozialen Ereignissen zu ermöglichen, sowie damit den Raum für eine solidarische Debatten- & Diskussionskultur zu bereiten.

Diese Punkte dienen dabei unserer Meinung nach als Basis für ein solidarisches Miteinander und ist ins Besondere in Krisenzeiten ein wichtiger Bestandteil für den Zusammenhalt einer Gemeinschaft und für den Zusammenhang einer Gesellschaft.

Gerade in der Corona Krise wird dabei deutlich wie wichtig soziokulturelle Räume wie das Gasparitsch nunmal sind: Durch die Einschränkung des privaten gesellschaftlichen Lebens schreitet die Individualisierung und Vereinzelung zunehmend voran und führt zur Vereinsamung und Isolation.

Räume wie das Stadtteilzentrum Gasparitsch durchbrechen dabei diese Vereinzelung, in dem unabhängig von Geldbörse, Herkunft und anderen Eigenschaften unterschiedlichste Menschen zusammenkommen und kollektive Momente schaffen – und das auf vielfältige Art und Weise: Es gibt Konzerte, Bandproben und Kneipenabende, Kinder gehen zur Hausaufgabenbetreuung und basteln gemeinsam, es gibt Selbstverteidigungsangebote, Nachbarschaftsfrühstücke, es werden Feste gefeiert und vieles mehr.

Und auch wenn dies aktuell durch die Corona Pandemie nicht im gewohnten Ausmaß möglich ist, so versuchen wir auch weiterhin kollektive Momente zu ermöglichen und einen Raum zu schaffen, der weiterhin für kollektive Erfahrungen genutzt werden kann. Sei es dadurch, dass wenn ihr nicht zum Gasparitsch kommen könnt, wir das Gasparitsch zu euch bringen. Sei es dadurch, dass wir uns digitale Ausweichmöglichkeiten für Treffen, Veranstaltungen, Frühstücke oder ähnliches schaffen oder sei es dadurch, dass wir im Rahmen des Möglichen unsere Räumlichkeiten öffnen und Möglichkeiten für Zusammenkünfte schaffen.

Wenn also die Frage nach solidarischen Perspektiven in Zeiten der Krise gestellt wird, dann ist für uns klar: Eine Perspektive ist und bleibt der Aufbau & Erhalt von soziokulturellen Räumen, sowie die Etablierung einer solidarischen „Kultur“ auf kultureller, politischer und sozialer Ebene.

In diesem Sinne laden wir euch gerne dazu ein das Stadtteilzentrum Gasparitsch mitzugestalten. Gute Gelegenheiten gibt es in nächster Zeit einige: Wir feiern 6 Jahre Gasparitsch, leider nicht wie üblich mit einem großen Fest, sondern mit einer Konzert-Kundgebung, am nächsten Samstag und einem Tag der offenen Tür – liebevoll auch „Laufetse“ genannt, am Sonntag, den 18. Oktober.

Die beste Gelegenheit sich einzubringen ist aber das offene Aktiventreffen am 27. Oktober um 19 Uhr, bei dem wir gemeinsam Ideen sammeln und umsetzen – oder sprecht uns einfach an – und bereitet damit die Basis für ein solidarisches Miteinander in Stuttgart-Ost.

Rede von Stuttgart-Ost Solidarisch

Liebe Nachbarinnen und Nachbarn, liebe Freundinnen und Freunde,

auch ich heiße euch herzlich Willkommen im Namen von Stuttgart-Ost Solidarisch.

Vor einiger Zeit haben wir uns als selbstorganisierte Initiative zusammengeschlossen, um uns für einen solidarischen Stadtteil einzusetzen und zu streiten.

Für uns bedeutet das, dass wir uns selbst mit unseren Problemen und Bedürfnissen hier in Stuttgart-Ost auseinandersetzen und diese auch öffentlich machen. Wir wollen nicht darauf warten, bis wir von oben passende Lösungen vorgegeben bekommen, in der Hoffnung, dass diese unsere Situation verbessert.
Im Gegenteil, mit unserer Initiative möchten wir eigene Ideen entwickeln und uns selbst in die Lage versetzen, die vorherrschenden Bedingungen von unten zu verändern.

Das diese Form der Solidarität notwendig ist und dass es an uns liegt, diesen wichtigen Schritt zu gehen, hat die weltweite Corona Pandemie mehr als deutlich gemacht.
Denn auch wenn die erste Welle der Pandemie für die meisten von uns gesundheitlich und ökonomisch glimpflich über die Bühne ging, zeigen sich nun mehr und mehr die langfristigen Folgen der Krise, die drastische Auswirkungen mit sich bringen wird. Denn bei allen von der Regierung erlassenen Maßnahmen, wird sich die Lage für den Großteil der Menschen hier nicht maßgeblich verbessern. Denn auch während einer weltweiten Pandemie werden weiter die Profite über die Menschen gestellt.

So konnten zwar die zahlreichen Hilfen, wie das Kurzarbeitergeld viele Menschen kurzfristig vor der Arbeitslosigkeit bewahren und eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden, doch zeigt sich nun, dass diese Maßnahmen eben nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind bzw. nur das Schlimmste verhindert haben. Langfristig werden diese nicht in der Lage sein die Menschen vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren. Und ob ein zweiter Lockdown zum Schutz der Gesundheit erlassen wird ist fraglich.
Wer die Lasten des ganzen trägt zeigt sich bereits jetzt schon deutlich. Der Karstadt Kaufhof Konzern schließt bereits die Hälfte seiner Filialen und der angeschlagene Autokonzern Mercedes Benz hat angekündigt, im Stammwerk Untertürkheim 4000 Arbeiterinnen und Arbeiter zu entlassen.
Und die als Corona-Helden gefeierten Beschäftigten im öffentlichen Dienst sollen mit einer Nullrunde abgespeist werde.
Dass dann während der Pandemie der reichste Teil der Bevölkerung noch einmal, wie schon in den letzten Krisen, reicher geworden ist, macht deutlich, dass am genannten Status Quo nicht gerüttelt wird. Es bleibt wie immer bei „Profit over People!“.

Dabei werden all diese Entwicklungen hier an unserem Stadtteil nicht spurlos vorbeigehen.

Unsere Antwort darauf bleibt die Solidarität!

Und auch wenn das Folgende nur einen ersten Schritt darstellt, können wir bereits jetzt Positives berichten: Bei vielen Menschen im Stadtteil wird Solidarität bereits jetzt großgeschrieben und erzielt bereits eine Wirkung. Menschen sind bereit im Rahmen von Nachbarschaftshilfen sich gegenseitig unter die Arme zu greifen. Gerade mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen ist dies von hoher Bedeutung. Einzelhändler und Gastronomiebetriebe konnten durch direkte und indirekte Unterstützung die Zeit nicht nur irgendwie überstehen, sondern überlegen beispielsweise, wie sie die Mehrwertssteuersenkung an den Stadtteil weitergeben können. Übergreifend besteht die Bereitschaft, sich zusammenzusetzen und gemeinsame Ideen zu entwickeln.

Doch dabei möchten wir es nicht belassen…

In der nächsten Zeit möchten wir weitere Projekte ins Laufen bringen. Dafür gilt, dass jede und jeder Einzelne für den Aufbau konkreter Solidarität wichtig ist. Durch Austausch und Vernetzung können wir von unseren Ressourcen und Fähigkeiten gemeinsam profitieren und Perspektiven zu schaffen, die unsere Interessen berücksichtigen bzw. aus ihnen entspringen. Sei es, ein auskömmlicher und sicherer Arbeitsplatz oder eine bezahlbare Wohnung. Wichtig ist, dass wir Gemeinsamkeiten herausstellen und diese als solche erkenne.
Auch wenn es dabei verschiedene Ansatzpunkte geben mag. Wenn wir diesen Prozess auf Augenhöhe gestalten und das Gemeinsame in den Vordergrund stellen können, diese verschiedenen Ansätze zur Stärke werden und uns der Perspektive eines solidarischen Zusammenlebens näherbringen.

Dabei haben wir nach wie vor nicht die perfekte Antwort parat. Aber wir haben uns Ziele gesetzt, diese Perspektive gemeinsam zu entwickeln und Schritt für Schritt voranzutreiben Dementsprechend werden wir weitermachen.

Hierzu möchten wir wie immer herzlich einladen. Unsere Kontaktdaten findet ihr am Infotisch. Bis dahin bleibt gesund. Für ein solidarisches Miteinander gerade in Krisenzeiten!

Ausgewählte Texte