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Frauenkampf

Care-Woche nein danke! Frauen streiken am 8. März – auch in Stuttgart-Ost

Der 8. März, der Frauenkampftag, steht wie kein anderer Tag für den Kampf der Frauen gegen die alltägliche patriarchale Unterdrückung und kapitalistische Ausbeutung. Seit über 100 Jahren gehen Frauen in aller Welt an diesem Tag auf die Straße, um hörbar und sichtbar für ein Ende der geschlechtsspezifischen Ausbeutung und Unterdrückung einzustehen. Denn alte Forderungen wie „das Private ist Politisch“ und „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sind heute noch aktuell. Auch wenn wir uns in einer bereits vermeintlich zivilisierten und fortschrittlichen Gesellschaft befinden, haben wir eine Gleichberechtigung und Emanzipation der Frau noch nicht erreicht. Gerade in den letzten Jahren häufen sich die Angriffe auf etablierte Errungenschaften durch konservative und rechte Kräfte und Parteien und die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass es meist die Frauen sind auf deren Schultern die Mehrbelastung gelegt wird. Deshalb müssen wir Frauen diese Freiheiten und Rechte immer und immer wieder erkämpfen, verteidigen und behaupten – am 8. März, wie an jedem anderen Tag auch.

Frauenstreikpavillon am Ostendplatz

Dienstag, 8. März 2022, von 12.00 bis 16.00 Uhr, mit Informationsmaterial, Mitmachaktionen und Redebeiträgen

12.00-13.00 Uhr Uhr feministisch-kämpferische Mittagspause: Frauen kommt vorbei und nutzt eure heutige Mittagspause für den Austausch und Diskussion. Für eine kleine Verpflegung ist gesorgt.

15.30 Uhr gemeinsamer Stuhlstreik: bringt einen Stuhl/Sitzgelegenheit mit und lasst uns als Frauen gemeinsam unsere Forderungen sichtbar machen. Gerne könnt ihr selbstgeschriebene Plakate mit euren Forderungen oder Gründen für den Streik mitbringen. Wir wollen beim Streik laut sein, also bringt Kochtöpfe, Pfannen, Trillerpfeifen etc. mit.

Care-Woche nein danke! Frauen streiken am 8. März – auch in Stuttgart-Ost

feministisch, antipatriarchal, antikapitalistisch

Seit mehreren Jahren gehen wir Frauen* am 8. März in vielen Ländern auf die Straße um zu streiken. Die Bilder von Millionen Frauen im Streik in Spanien gingen um die Welt. Hierbei streiken wir gegen die im Schnitt immer noch um 19 Prozent niedrigeren Löhne für Frauen, gegen eine Diskriminierung bei der Beförderung z.B. aufgrund von Fehlzeiten durch die Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen, die dadurch viel stärker drohende Altersarmut für uns und gegen die immer noch herrschenden Seilschaften von Männern in vielen Berufen bei Einstellungen und Empfehlungen.

Doch wir gehen für noch viel mehr auf die Straße und streiken, denn die Diskriminierung beginnt nicht erst an der Bürotür oder dem Werkstor. Sie durchdringt alle Bereiche unseres Lebens – ob auf der Arbeit, in der Öffentlichkeit oder im familiären Umfeld. Wir sind hiermit nicht einverstanden und fordern eine Veränderung der Gesellschaft. Es stinkt uns, dass wir immer noch 80 Prozent der Arbeiten um Kindererziehung, Pflege von Angehörigen und die Sorge um den anfallenden Haushalt verrichten. Müssen Frauen sie aufgrund ihrer sozialen Stellung nicht mehr selber erledigen, wird dies oft an andere Frauen in prekären Anstellungen dirigiert und dadurch die Ausbeutung zementiert. Wir sind im öffentlichen Raum nicht sicher, denn wir sind von sexistischer Belästigung und einer permanent drohenden Gewalt betroffen, egal wo und wann wir uns dort aufhalten. Dies schränkt uns in unserem Bewegungsradius erheblich ein. Wir streiken gegen die immer noch eingeschränkte körperliche Selbstbestimmung von uns Frauen, sei es beim Thema Schwangerschaftsabbruch oder der Familienplanung und Verhütung. Wir werden nicht nur aufgrund unseres Geschlechts diskriminiert, sondern auch aufgrund unserer Hautfarbe oder Herkunft und unterliegen dadurch einer mehrfachen Unterdrückung. Diese Liste ließe sich noch um einiges verlängern. Deshalb sagen wir: Diese Diskriminierung und Benachteiligung muss aufhören! Wir sagen stopp und werden nicht länger dieses System stützen.

Frauenstreik in Deutschland 1994

Ohne Frauen steht die Welt still – dieses System braucht uns

Unser Alltag ist geprägt durch die sog. Reproduktionsarbeit rund um Haushalt, Kindererziehung und Pflege, denn wir verrichten den Großteil davon. Dabei ist es meist egal, ob beide Partner*innen einer Lohnarbeit nachgehen oder nicht. Die Care-Arbeit bleibt in den meisten Familien- und Partnerschaftskonstellationen trotzdem an uns hängen. Die kapitalistische Produktionsweise funktioniert nur, wenn die Verrichtung dieser Arbeiten ohne Bezahlung von uns erledigt wird. Trotz einer Arbeitsstelle müssen wir uns darum kümmern, dass die Wohnung nicht im Chaos versinkt und die Kinder jeden Tag etwas zu essen bekommen. Natürlich funktioniert dies nur, wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse dabei vernachlässigen um den Laden am Laufen zu halten. Damit wir hier mitspielen werden wir von klein auf dazu erzogen und dazu gedrängt. Nach patriarchalen Vorstellungen sollen wir die liebende Hausfrau und Mutter verkörpern, die sich vollumfänglich um alles und alle kümmert, sich und ihre Bedürfnisse aus den Augen verliert und dabei noch sexuell ständig verfügbar zu sein hat. Dies hält dem arbeitenden Mann den Rücken frei, lässt ihn länger und effizienter arbeiten und steigert damit die Mehrwertproduktion. So ist es kein Wunder, dass der Mann in den meisten Fällen der Haupternährer ist oder als dieser angesehen wird, was zumeist mit der deutlich schlechteren Bezahlung von uns Frauen zusammenhängt. Hinzu kommt, dass wir aufgrund der zusätzlichen Arbeitsbelastung durch die Care-Arbeit gezwungen sind oftmals in prekären Arbeitsverhältnissen oder in Teilzeit zu arbeiten. Daraus resultiert, dass auch heute noch viele Frauen finanziell von Männern abhängig sind.

Streik auf der Straße, Streik in der Fabrik – aber auch Streik in unserem Zuhause?

Beim Frauenstreik geht es also um die Diskriminierung und Ausbeutung von uns Frauen in ihrer Gesamtheit. Und warum sollen wir deshalb nun zu Hause streiken?

Die unbezahlte Reproduktionsarbeit ist ein Eckpfeiler unserer patriarchalen Gesellschaft und kapitalistischen Produktionsweise und damit also ein guter Hebel, um unsere Nichtzustimmung zu diesem System auszudrücken, den reibungslosen Ablauf zu stören und die Räder still stehen lassen. Durch einen Streik ist es möglich zu zeigen welche gesellschaftliche Macht in den Händen von uns Frau liegt.

Stuhlstreik auf dem Schlossplatz am 8. März 2021

Und wofür streiken wir? Sollen die Männer alles übernehmen und die Frauen liegen auf der faulen Haut?

Wir wollen gemeinsam eine andere, bessere Gesellschaft aufbauen, in der die Ausbeutungsverhältnisse nicht einfach umgekehrt sondern aufgelöst und zerschlagen werden. Dabei wollen wir nicht einfach nur von bestimmten Arbeiten entlastet werden, sondern es geht darum sich grundsätzlich anzusehen womit wir eigentlich unsere Zeit verbringen und wofür wir welche Arbeit aufbringen. Wir können unser Leben, wie dies auch Frigga Haug in der Vier-in-einem-Perspektive tut, grob in vier Bereiche aufteilen: Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit, Politik/Teilhabe und Kultur/Bildung. Diese Bereiche sind in unserem heutigen Leben sehr unterschiedlich aufgeteilt und gerade bei uns Frauen bleibt neben der Erwerbsarbeit und Reproduktionsarbeit oft nicht mehr viel Zeit für anderes übrig. Doch eine Gesellschaft die erstrebenswert ist sollte allen diesen Bereichen die gleiche Aufmerksamkeit und Zeit schenken (also jedem Bereich etwa ¼). Durch eine Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit wäre eine Beschäftigung für Viele möglich und eine Teilhabe aller an der Arbeitswelt. Diese Teilhabe müsste im gleichen Zug auch für den Bereich der Reproduktionsarbeit gelten, der auf den Schultern aller Menschen gleichmäßig verteilt werden müsste. Hierdurch würden alle gleich die Fähigkeiten von Empathie, Verantwortung und auch Selbstaufgabe lernen. Durch die neu entstehende freie Zeit wäre es für alle Menschen möglich, unabhängig ihres Geschlechts oder ihrer Stellung in der Gesellschaft teil an Kultur und Bildung zu haben. Die eigenen Interessen zu verfolgen, zu lernen und sich selbst als Individuum weiterzuentwickeln. Im vierten Bereich, der Politik und Teilhabe an der Gesellschaft, geht es darum die Gesellschaft von unten aufzubauen. Nicht einzelne Politiker*innen sollten unser Leben bestimmen, sondern wir alle sollten daran beteiligt sein – durch Selbstorganisation und Vergesellschaftung der Ressourcen.

Einen neuen Blickwinkel bekommen und die Veränderung in die eigenen Hände nehmen

Diese Aufteilung unserer Lebenszeit und Arbeitskraft ist nur ein Gedankenspiel, eine Utopie und lässt sich natürlich nicht in einem 5-Jahresplan umsetzen. Sie ermöglicht uns aber einen anderen Blickwinkel auf unser Leben und die Organisation unserer Gesellschaft einzunehmen. Wir können erkennen, dass unsere gesellschaftlichen Verhältnisse nicht gottgegeben sind oder einfach schon immer so waren. Sie sind die Folge gesellschaftlicher Entwicklung und das heißt, sie sind von Menschen erschaffen und daher auch durch den Menschen veränderbar. Das Patriarchat und der Kapitalismus sind ein symbiotisches oder abhängiges Verhältnis eingegangen und können wie ein Knoten beschrieben werden. Ein Knoten von Herrschaft mit vielen herausragenden Enden. Wenn wir nur an einem Faden ziehen, zieht sich dieser bloß enger. Wir müssen diesen Knoten entwirren und teilweise zerschlagen, um unser Ziel von einem selbstbestimmten Leben zu erreichen.

Wir sind selbst gefangen in dieser Verflechtung an Unterdrückung, da sich dieses Verhältnis ständig neu konstituiert und unhinterfragt reproduziert wird. Wir müssen beginnen, die Systematik und die gesellschaftlichen Verhältnisse zu hinterfragen, aber auch unsere Gewohnheiten, Wünsche, Bedürfnisse, Sorgen und Ängste. Dies heißt für uns, dass wir auf mehreren Ebenen kämpfen müssen und einen langen Atem brauchen. Wir können nur Schritt für Schritt auf einem solchen Weg gehen und im Kleinen beginnen. Mit einem Streiktag oder einer im Streik verbrachten Mittagspause, in der wir Arbeit an alle abgeben und uns Zeit nehmen für Diskussionen und Austausch. Indem wir die Solidarität unter Frauen weiter aufbauen und ein solidarisches Miteinander verwirklichen, können wir gemeinsam weitere Schritte gehen. Wir brauchen Räume, im privaten wie öffentlichen Bereich, in denen Frauen für sich alleine arbeiten und sich und ihr Umfeld für die alltägliche Gewalt, sexistische Verhaltensweisen, die Diskriminierung von Frauen im Arbeitsleben und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung sensibilisieren. Es braucht Räume in denen Frauen sich gegenseitig empowern, bilden und vernetzen können. Wir müssen erkennen, dass wir innerhalb unserer Klasse die gleichen Unterdrückungen erleiden und von der gleichen strukturellen Ausbeutung betroffen sind. Gemeinsam und in Solidarität miteinander können Frauen sich unterstützen und bestärken und den Kampf um echte Gleichstellung und gegen die Unterdrückung von Frauen im Alltag führen.

Frauenstreikpavillon am Ostendplatz 2021

Hier ist es wichtig, konkret anzusetzen. Sei es durch Frauengruppen – wie hier in Stuttgart-Ost das Frauenkollektiv Stuttgart – die sich treffen und diskutieren oder einfach mal nur unter Frauen eine gute Zeit miteinander haben. Oder durch kreative Aktionen im Stadtteil, über die auf die herrschenden patriarchalen und kapitalistischen Strukturen aufmerksam gemacht wird.

Lasst uns gemeinsam beginnen, den Kampf um die Befreiung der Frau weiterzuführen, lasst uns feministisch streiken und dem Knoten aus Patriarchat und Kapitalismus den Kampf ansagen, am 8. März und an jedem weiteren Tag.

* Wir setzen das Wort Frau/Frauen für Personen, die sich als Frau definieren und/oder von der Gesellschaft als Frau gelesen werden und somit ähnliche Erfahrungen machen.
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