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Frauenkampf

Rettungsboje bei sexualisierter Gewalt? Patriarchat endlich abschaffen!

Einige Gedanken zum Volksfest auf dem Cannstatter Wasen

Der Herbstbeginn bringt in Stuttgart jährlich eines der sexistischsten Feste auf den Cannstatter Wasen. Dies wird nicht allein über die sexistischen und rassistischen Darstellungen auf den Fahrgeschäften offenbart. Was sich innerhalb der Bierzeltwände abspielt, ist besonders für Frauen erlebbar: Sexualisierte Übergriffe durch Sprüche, Bedrängen, ungewolltes Anfassen und Vergewaltigung.

Auf dem Cannstatter Wasen wie auch im Rest der Gesellschaft versteckt sich sexualisierte Gewalt nicht in der Zeltecke oder unterm Biertisch. Sie passiert offensichtlich, wird beobachtet, gesehen, bejubelt, in Liedern besungen und schließlich toleriert.

Nun möchte die Stadt Stuttgart jedoch einen safer space auf dem Wasen schaffen. Einen Ort, an dem Frauen und Mädchen einfach mal durchatmen können, Orientierung finden, wenn sie ihre Gruppe verloren haben, sowie psychologische Unterstützung nach sexuellen Übergriffen finden können. Mit der sogenannten Wasenboje möchte die Stadt Stuttgart nun einen Rettungsanker im Meer patriarchaler Gewalt schaffen. Sie ist nicht daran interessiert, den sexistischen Normalzustand auf dem Cannstatter Volksfest anzugehen. Es geht vielmehr darum, dass am Ende die Kasse stimmt, Profit in den und um die Wasenzelte gemacht und das Image eines familienfreundlichen Festes aufrecht erhalten wird.

Doch wie kann mit der Wasenboje die Arbeit getan sein? Wie kann es Normalität sein, dass Frauen einen geschützten Ort zum Durchatmen brauchen? Wie kann es sein, dass Frauen und Mädchen an öffentlichen Veranstaltungen auf psychologische Hilfe zurückgreifen müssen? Was ist mit den Tätern? Wieso wird ihr übergriffiges Verhalten nicht thematisiert? Wieso wird mit übergriffigem Verhalten kalkuliert und nichts gegen die Ursachen unternommen?

Blicken wir zurück auf dieses Jahr, wird uns diese Stuttgarter Toleranz gegenüber Sexismus und sexualisierter Gewalt bestätigt:

An erster Stelle ist das Paradebeispiel Frank Nopper zu nennen. Nachdem der Stuttgarter Oberbürgermeister von verschiedenen feministischen Gruppierungen mit dem Negativpreis Goldener Gaul zum größten Sexisten Stuttgarts nominiert wurde, sichert er sich auch dann nochmal seinen Preis mit dem Statement, der Goldene Gaul sei ein unbedeutender Negativpreis. Sexismus ist für den Oberbürgermeister offensichtlich ein unbedeutendes Thema und sei Teil der Meinungsfreiheit.

Anschließen lässt sich hier Andreas Renner, suspendierter Inspekteur der Polizei, sowie das mit ihm verwobene patriarchale Polizei- und Justizsystem. Als Angeklagter wegen sexueller Nötigung wird er von seinem Patriarchenkollegen Richter Peterke am Landgericht Stuttgart aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Es zeigt sich hier das Ergebnis richterlicher sexistischer Hypothesen, die Frauen und Betroffene von sexualisierter Gewalt als unglaubwürdig zu präsentieren versuchen. Handlungen der gezielten Machtausübung von Seite Renners wurden in der gesamten Urteilsfindung nicht berücksichtigt.

Führen wir die Logik der Wasenboje fort, müssten wir also für alle Renners Polizeibojen vor den Stuttgarter Polizeiinstitutionen einrichten. Eine Nopperboje bräuchte es vor dem Rathaus, da hier Sexismus Meinungsfreiheit bedeutet. Vor jedem Club, an jeder Bus- und Bahnhaltestelle, auf dem nächtlichen Schlossplatz – es würde kein Ende nehmen.

Strukturelle, patriarchale Gewalt ist überall in der Gesellschaft vorhanden, wir müssen endlich anfangen, sie ausdrücklich zu benennen und aufhören sie als Normalität zu tolerieren. Dann würden wir endlich die Täter in den Fokus stellen und zur Verantwortung zwingen. Wir würden nicht ständig den Blick auf die Betroffenen lenken oder aufzeigen, wie schrecklich der Alltag für Frauen ist und diesen als vermeintliche Lösung nur erklären, wie man das Pfefferspray am besten in der Hand hält.

Wir haben diese Verhältnisse so satt, wir haben es satt, jeden Frühling und Herbst während der Wasenzeit als weibliche Personen keine Lust mehr zu haben, das Haus zu verlassen. Wir haben es auch satt, von Renners und Till Lindemanns zu lesen, die aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden. Der patriarchale Normalzustand ändert sich nicht, obwohl auf der Hand liegt, wer die Taten begangen hat. Die Täter können aber weiter ihr Unwesen treiben, da keine Konsequenzen folgen, die Machtverhältnisse nicht hinterfragt werden und stattdessen eine Hetzjagd auf die betroffenen Frauen gemacht wird, die es gewagt haben auszusprechen, was ihnen widerfahren ist.

Lasst uns das Patriarchat in seinen Grundfesten erschüttern und mit dem Finger auf diejenigen zeigen, die die Taten begehen und diese endlich in die Pflicht nehmen, als es bei der Symptombekämpfung zu belassen.

Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir den Status Quo der patriarchalen Gewalt satthaben. Wir wollen erkämpfen, dass Täter mit ihrem Verhalten nicht mehr durchkommen und von allen Seiten Konsequenzen spüren müssen. Wenn es euch genauso geht, nehmt diese Forderung mit, verbreitet sie unter Freund*innen und lasst uns gemeinsam das Patriarchat bekämpfen, um es abzuschaffen.

Wir müssen die patriarchale Gesellschaft verändern!

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