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Frauenkampf

Ein Angriff gegen Eine ist ein Angriff gegen Alle!

Für die feministische Solidarität zum Tag gegen Gewalt an Frauen!

Alle Frauen* sind von patriarchaler Gewalt betroffen und leider tagtäglich davon bedroht. Ich, Du, unsere Schwestern, Mütter, Partnerinnen, Arbeitskolleginnen, Freundinnen, Nachbarinnen, Genossinnen, Cousinen, sind Leidensgenossinnen, gezwungenermaßen.  Wir haben uns das nicht ausgesucht.

Hinter jeder sexuell belästigten, ungewollt berührten, vergewaltigten oder gar getöteten Frau stehen ein oder mehrere Täter und ein in Institutionen und Justiz strukturell verwobenes patriarchales System, das Gewalt gegen Frauen überhaupt ermöglicht und weiter stützt.

Die patriarchale Gewalt gegen Frauen und weiblich gelesene Personen fällt nicht vom Himmel, sie wird ausgeübt von Menschen, fast immer von Männern, die meinen es wäre ihre gottgegebenes Recht diese Gewalt auszuüben, um uns damit in unserer Freiheit einzuschränken.

Aber wie kann all das überhaupt noch sein?

Warum ist das patriarchale System noch immer da, wo wir doch längst wissen, dass mindestens die Hälfte der Bevölkerung davon unterdrückt wird und dem auch schon längst den Kampf angesagt hat? Die Antwort ist einfach, wenn auch ernüchternd. Dazu müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen, dass wir in patriarchalen und ausbeuterischen Strukturen leben, die ständig jeden Aspekt unseres Lebens bedrohen. Viele Menschen und auch die Institutionen im Sinne der kapitalistischen Logik profitieren davon, und Systeme, die eingeschliffen sind und schon seit Jahrhunderten existieren, lösen sich nicht von heute auf morgen in Luft auf. Daher besteht einerseits auch gar kein Interesse daran, dieses System aufzulösen. Und andererseits ist es ein langer Weg und harter Kampf, eine Veränderung in diesen festgefahrenen Strukturen zu bewirken. Aber wir sind fest entschlossen diesen Weg zu gehen.

Blicken wir zurück auf dieses Jahr wird uns die Toleranz gegenüber Sexismus und sexualisierter Gewalt in unserer Gesellschaft bestätigt, auch hier vor Ort in Stuttgart.

An erster Stelle ist das Paradebeispiel Frank Nopper zu nennen. Nachdem der Stuttgarter Oberbürgermeister von verschiedenen feministischen Gruppierungen mit dem Negativpreis „Goldener Gaul“ zum größten Sexisten Stuttgarts nominiert wurde, sichert er sich auch dann nochmal seinen Preis mit dem Statement: Der Goldene Gaul sei ein unbedeutender Negativpreis. Sexismus ist für den Oberbürgermeister offensichtlich ein unbedeutendes Thema und sei Teil der Meinungsfreiheit.

Anschließen lässt sich hier Andreas Renner, suspendierter Inspekteur der Polizei, sowie das mit ihm verwobene patriarchale Polizei- und Justizsystem. Als Angeklagter wegen sexueller Nötigung, wird er von seinem Patriarchenkollegen Richter Peterke am Landgericht Stuttgart aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Es zeigt sich hier das Ergebnis richterlicher sexistischer Hypothesen, die Frauen und Betroffene von sexualisierter Gewalt als unglaubwürdig zu präsentieren versuchen. Handlungen der gezielten Machtausübung von Seiten Renners wurden im gesamten Prozess weder als diese benannt noch im Urteilsverfahren berücksichtigt. Er wurde vorerst vom Dienst suspendiert, wird aber weiterhin bezahlt.

Am Beispiel Renner wurde allen Frauen und vom Patriarchat betroffenen Personen sowie dagegen Kämpfenden nochmal eine patriarchale Realitätsklatsche verpasst:

Die Botschaft lautet: „Wer die Macht hat, hat das Recht“!

Der Prozess ist ein gutes Beispiel dafür, wie schwer es ist, die Täter gerecht zu bestrafen durch das patriarchale Justizsystem. Es scheint in diesem System wichtiger zu sein, wilde Spekulationen darüber breit zu treten, warum die Frau sich wie verhalten hat, ob sie vielleicht sogar den Vorwurf der sexuellen Nötigung erfand, oder gar ihren Ex damit zurück gewinnen wollte. Die Strafverteidigerin von Renner hat diese Strategie der Mutmaßungen verfolgt. Richter Peterke ist mit eingestiegen, ohne auch nur im Ansatz das Abhängigkeitsverhältnis zu berücksichtigen, in dem die betroffene Polizistin gegenüber dem Polizeiinspekteur Renner stand. Sie befand sich in einem Bewerbungsverfahren um eine höhere Position und Renner war ihr Vorgesetzter.

Diese Tatsache war zu keinem Zeitpunkt vor Gericht benannt oder berücksichtigt worden. Und allein das ist ein Skandal!

Weiten wir den Blick aus auf die gesamte Bundesrepublik, so lässt sich hier Till Lindemann anschließen, Sänger von Rammstein, der diesen Sommer für Schlagzeilen gesorgt hat. Mehrere Frauen haben Vorwürfe wegen sexueller Belästigung und Vergewaltigung gegen ihn erhoben. Nachdem sich eine mutige Konzertbesucherin aus Irland nach einem Konzert in Vilnius traute an die Öffentlichkeit zu gehen, schlossen sich ihren Vorwürfen viele weitere Frauen an, die ähnliche Erfahrungen machten. Sie berichteten von einem „Casting-System“ für Sex mit Lindemann ohne ihr Wissen, blauen Flecken und Blackouts nach den Abenden.

Die Vorwürfe gegen den Rammstein-Frontmann Till Lindemann sind nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Berlin nicht zu beweisen. Die Behörde hat deshalb ihre strafrechtlichen Ermittlungen gegen den 60-Jährigen eingestellt. Der Tatverdacht sei nicht hinreichend.

Dies zeigt uns umso mehr: Der Gang zur Polizei und Justiz hilft oftmals nicht weiter, da auch dort die patriarchale Unterdrückung weiter geht und die Taten oftmals nicht im Gesamtverhältnis betrachtet werden. Haben die Frauen nicht explizit nein gesagt oder sich gar gewehrt, gilt es oftmals nicht als Straftatbestand.

Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen: Die mutigen Frauen, die den Schritt gehen und Anzeige erstatten, wenn ihnen sexualisierte Gewalt angetan wurde, müssen dadurch auch bereit sein vor Gericht und somit in aller Öffentlichkeit darüber zu sprechen, was ihnen angetan wurde. Es ist im Grunde ein öffentliches Outing, dass sie psychisch und körperlich nicht mehr unversehrt sind. Um dann am Ende in der patriarchalen Wirklichkeit aufzuwachen, da es nicht selten zu geringen Strafen oder gar Freisprüchen kommt, meist aus Mangel an Beweisen.

Soll es immer so weiter gehen? Oder gibt es doch Hoffnung?

Weiten wir unseren Blick noch mehr, dann sehen wir ein weiteres Ereignis sexueller Übergriffe: Jennifer Hermoso, Kapitänin der spanischen Frauenfußball-Nationalmannschaft, hat diesen Sommer Strafanzeige gegen Rubiales gestellt, den Trainer der Fußballnationalmannschaft der Frauen, der sie gegen ihren Willen vor laufenden Kameras auf den Mund geküsst hatte, nach dem Sieg bei der Weltmeisterschaft. Da er trotz öffentlicher Entschuldigung nicht dazu bereit war von seinem Amt zurück zu treten, traten die Fußballfrauen in den Streik und erfuhren weltweite Solidarität. Mit Erfolg, da Rubiales dann Mitte September doch zurück trat.

Dieses Beispiel gibt uns unglaublich Kraft und Hoffnung und macht deutlich, wie viel Macht wir haben, wenn wir zusammen stehen und in Solidarität füreinander einstehen.

Die spanischen Fußballfrauen machen es uns vor, sie haben sich zusammen geschlossen und gemeinsam beschlossen, so nicht! Entgegen einem System von mächtigen Männern in der Welt des Fußballs. Sie haben so lange gekämpft, in dem sie ihre Arbeit bestreikt haben, bis sie ihr Ziel erreicht hatten.

Ein Angriff gegen eine ist ein Angriff gegen alle!

Wir müssen uns gemeinsam der patriarchalen Gewalt entgegen stellen, diese öffentlich machen und es den Tätern so unbequem wie möglich machen und in Solidarität Seite an Seite stehen, denn das ist unsere stärkste Waffe: die vollumfängliche feministische Solidarität.

Also wenn jemand sich traut, den Mund aufmacht und erzählt was ihr passiert ist, steht solidarisch hinter ihr, denn gemeinsam können wir der patriarchalen Gewalt den Garaus machen und das patriarchale System ins Wanken bringen.

Wir haben keine Wahl, uns wird nichts anderes übrig bleiben, also lasst uns mit dem Finger auf die Täter zeigen. Mit dem Wissen, dass wir nicht allein sind und es viele Frauen, Lesben, trans*- und inter – personen, aber auch Männer gibt, die solidarisch hinter uns stehen, fällt es leichter den Kampf gegen patriarchale Gewalt zu führen. Wir müssen an die Wurzel des patriarchalen Systems und dieses an sich ins Wanken bringen.

Denn wir fordern ein selbstbestimmtes Leben in Unversehrtheit, ohne Angst vor Gewalt und den Tod fürchten zu müssen, einfach weil wir weibliche Personen sind. Das heißt für uns, dass uns zugehört und geglaubt werden muss, dass Täter Konsequenzen fürchten müssen. Wir brauchen Bestrafungssysteme, jenseits der patriarchalen Logik. Wir müssen ohne Angst auf der Straße sein können, in dem Wissen, dass selbst wenn etwas passiert, Menschen solidarisch sind und eingreifen. Frauen und vom Patriarchat betroffene Personen müssen finanziell unabhängig sein und z.B. bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung haben, um nicht in gewalttätigen Beziehungen verharren zu müssen. Dazu müssen wir auch patriarchale Familienkonstrukte hinterfragen, aufbrechen und das Märchen des attraktiven Lebensmodells der Frau im Privaten als Hausfrau und Mutter entzaubern. Ansozialisierte weibliche Verhaltensweisen leisten diesen Rollenverständnissen Vorschub. Es wird oft erwartet, dass wir funktionieren, klein beigeben und uns um das Glück aller sorgen.

Aber wir machen das nicht mehr mit. Daher lasst uns aus der Vereinzelung in unserem Alltag austreten und uns in Kollektiven zusammen schließen oder welche schaffen, zum Beispiel mit Arbeitskolleginnen, Freundinnen, Nachbarinnen oder im Familienzusammenhang.

Wir streben eine Welt jenseits der hiesigen patriarchalen und kapitalistischen Verhältnisse an: Also, wenn einer von uns was angetan wird, dann sind wir alle davon betroffen und dann wehren wir uns! Wir lassen uns das nicht länger gefallen!


*Wir setzen das Wort Frau/Frauen für Personen, die sich als Frau definieren oder weiblich gelesen werden und somit von patriarchaler Gewalt betroffen sind.

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