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Antifa

Vertrauen haben wir nicht

Am 13. April beginnt der Prozess gegen den von den Medien so getauften extrem rechten Zusammenhang “Gruppe S” vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht. Den angeklagten Mitgliedern der Gruppe wird vorgeworfen Terrorakte und Mordanschläge auf Muslim*innen, Linke, Geflüchtete, Politiker*innen und andere Personen und Institutionen, die nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen, geplant zu haben. Wohlgemerkt werden lediglich 11 als Mitglieder identifizierte Menschen vor Gericht gestellt. Doch hat die “Gruppe S” nicht im luftleeren Raum agiert.

Ein Jahr lang wurde über diverse Chat-Gruppen auf Facebook und Telegram sowie telefonisch versucht Leute zu rekrutieren, die sich „etwas mehr als die Teilnahme an Demonstrationen“ zutrauen. Gefischt wurde dabei in den üblichen rechten Netzwerken von Reichsbürgern über Kameradschaften, Bürgerwehren und Rockerclubs bis zur AfD. Die nun vor Gericht Gestellten können also mitnichten als zuvor einzeln agierende Menschen betrachtet werden. Vielmehr handelt es sich um Leute, die über Jahre hinweg in rechten Strukturen agiert haben. Dass nun nur Einzelne angeklagt werden, verdeckt diese Zusammenhänge.

Dieser Prozess wird mehr verschleiern als offenbaren. Es geht gar nicht um die Aufdeckung von Zusammenhängen und Kontinuitäten, denn der deutsche Staat ist selbst tief verstrickt in rechte Terrornetzwerke. Nach den Anschlägen in Hanau und Halle, dem Mord an Walter Lübcke und der erstarkenden Diskussion über die Gefahr des rechten Terrors in Deutschland bietet der Prozess dem Staat die Möglichkeit zu zeigen, wie aktiv er gegen diesen ist. Der Prozess soll vermitteln, wie erfolgreich die deutschen Behörden aus ihren Skandalen der letzten Jahre gelernt haben und konsequent gegen Rechte vorgehen, zielgerichtet rechte Terrorzellen ausheben und der bürgerlichen Justiz zuführen. Doch von mehr als einem Versuch, diesen Eindruck zu erwecken, kann nicht die Rede sein. Denn letztendlich folgt der Staat und auch die Bundesregierung hier alten Mustern. Der Staat ist nicht Verhinderer des Terrors, sondern ignoriert ihn und in vielen Fällen leistet er ideologische Schützenhilfe und manchmal auch konkrete Unterstützung.

So ist zum Beispiel der “Nationalsozialistische Untergrund” aus dem “Thüringer Heimatschutz” hervorgegangen. Letzteres eine Organisation, die unter tatkräftiger Mithilfe des sogenannten Verfassungsschutzes und mit seiner finanziellen Unterstützung aufgebaut wurde. Und nach der Selbstenttarnung des “NSU” war es den Behörden wichtiger, Akten zu schreddern (unter der Bezeichnung “Aktion Konfetti” in die Geschichtsbücher eingegangen) anstatt die Hintergründe und Taten aufzuklären. So ist auch bis heute nicht klar, was z.B. ein Verfassungsschützer und V-Leute-Führer zur Zeit eines der Morde in Kassel, die dem “NSU” zugeschrieben werden, vor Ort gemacht hat.

Ebenso ließ und lässt aufhorchen, dass sich während der Zeit, in der der “NSU” im Untergrund gelebt hat, Banken überfallen und Menschen ermordet hat, die ermittelnden Behörden das Umfeld der Angegriffenen und Ermordeten ins Visier nahmen. Der von der Staatsanwaltschaft Nürnberg zuerst genannte Begriff „Döner-Mord“ wurde von den Tageszeitungen nahezu aller Couleur eifrig aufgegriffen und erschien auf den Titelblättern und in den Leitartikeln der verschiedenen Journaillen, mal auch mit der Variation “Döner-Killer”. So dienten rassistische Stereotype und Unterstellungen der Verschleierung der eigentlichen Taten. Wer weiß, ob der rassistische Anschlag in Hanau nicht auch unter dem bei der Polizei so beliebten wie rassistischen Begriff der “Clan-Kriminalität” abgestempelt worden wäre, wenn sich der Täter nicht selbst erschossen und damit enttarnt hätte.

Über die Aktivitäten von staatlichen Mitarbeiter*innen in rechten Netzwerken wurde in letzter Zeit auch medial ausführlich berichtet. Zuletzt aufgedeckt wurden rechte Chat-Gruppen von Polizisten, die Weitergabe persönlicher Informationen zumeist migrantischer und/oder linker Personen und Politiker*innen aus Polizeirevieren heraus an extrem rechte Strukturen, rechte Umtriebe beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr in Calw, etc. in einem Umfang, dass selbst konservative Politiker*innen und Medien die Mär von den Einzelfällen nur mehr schwerlich aufrecht erhalten können.

Der Mord an Walter Lübcke hätte vielleicht sogar verhindert werden können, wenn das Wegsehen der Behörden bei rechten Akteur*innen nicht so ausgeprägt wäre. Der zwischenzeitlich verurteilte Mörder (Einzeltäter?) war immerhin über Jahre hinweg in rechte Aktivitäten verstrickt und in der Vergangenheit auch bereits auf dem Radar der Ermittlungsbehörden. Aber er wurde dann angeblich wieder vom Radar genommen, weil er „abgekühlt“ sei. Was ihn jedoch nicht daran gehindert hat, ganz cool einen Politiker hinzurichten, weil ihm seine Aussagen als zu migrationsfreundlich erschienen sind.

Das Muster – und nichts anderes ist es – zieht sich wie einer brauner Faden durch die bundesdeutsche Geschichte und ließe sich noch beliebig fortsetzen. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass von diesem Staat keine echte Aufklärung zu erwarten ist, wenn es um rechte Terrorgruppen geht. Mehr als gespieltes Entsetzen, wenn sich der rechte Hintergrund einer Tat nicht mehr verdecken lässt und ein sich daran anschließendes fieberhaft erscheinendes Ermitteln und die Abwälzung auf Einzeltäter*innen oder kleine Gruppen ist nicht drin. So wurde auch die “Gruppe S” nicht vom Verfassungsschutz enttarnt, der Teile des Zusammenschlusses “beobachtet” hat, sondern es war ein ehemaliges Mitglied, das auspackte, da es noch nicht alle moralischen Bedenken über Bord geworfen hatte und dadurch die Behörden unweigerlich zum Handeln zwang. Wobei erst das LKA Stuttgart aktiv wurde, nachdem der Bundesverfassungsschutz, der zuvor informiert wurde, sich nicht interessiert gezeigt hat.

Vertrauen in einen solchen Staat haben wir nicht! Nicht in seine Justiz und schon gar nicht in seinen Willen zur Aufklärung und Bekämpfung von rechten Kontinuitäten und rechtem Terror. Für uns gilt es, die Ursächlichkeiten von rechtem Terror, rechten Kontinuitäten sowie seine stillen Handlanger*innen anzugreifen, zu skandalisieren und öffentlich zu machen. Darum rufen wir zur kritischen Begleitung des Prozesses gegen die “Gruppe S” auf. Denn eine solidarische und antifaschistische Gesellschaft ist mit diesem Staat nicht machbar, sondern muss von unten erkämpft werden.

Rechtem Terror und rechten Kontinuitäten entgegentreten
für eine antifaschistische und solidarische Gesellschaft


Kundgebung

zur kritischen Begleitung des Prozesses gegen die rechtsterroristische „Gruppe S“

Dienstag, 13. April, 8 Uhr
OLG Stuttgart-Stammheim
Asperger Str. 47


Eine Initiative von Zusammen Kämpfen Stuttgart

Der Aufruf wird unterstützt von: Gruppe ArbeiterInnenmacht Stuttgart, Interventionistische Linke Stuttgart,
Libertäres Treffen Rems-Murr, Ostend-ObenbleiberInnen, SDAJ Stuttgart,
SJD-die Falken Stuttgart

Ausgewählte Texte