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Frauenkampf

ZUSAMMEN KÄMPFEN Gegen Gewalt an Frauen

Wird es gesellschaftlich eisig, dann müssen sich Frauen* besonders warm anziehen. Sei es durch die seit 2019 immer noch andauernde Coronapandemie, die aktuelle Energiekrise und zusätzlich steigende Preise aufgrund der Inflation, was viele Menschen vor die Tatsache stellt, nicht zu wissen, wie sie durch den Winter kommen, oder der seit Anfang des Jahres wütende Krieg in der Ukraine. All dies beschäftigt uns tagtäglich, macht Angst und hat Konsequenzen für alle.

Gewalt gegen Frauen passiert tagtäglich und scheint unhinterfragt als Naturgegebenheit hingenommen zu werden. Eingebettet in gesellschaftliche Strukturen, wie Beziehungs- und Familienkonstrukte, wird Gewalt gegen Frauen unsichtbar und somit nicht als spezielle Form der Gewalt gegen einen Teil der Menschen aufgrund ihres Geschlechts gesehen und benannt.

Gerade im Krieg ist sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen tagtägliches Geschehen: Vergewaltigungen werden als psychologische Kriegswaffe und Kriegsstrategie eingesetzt, die sich über Generationen traumatisch auf die Frauen sowie die Gesellschaft auswirken. Sind Frauen auf der Flucht, sind sie auch hier ohne jeglichen Schutz und ihnen drohen weiterhin sexualisierte Gewalt, Netzwerke der Ausbeutung oder des Menschenhandels.

Steigende Energiepreise und hohe Lebenshaltungskosten lässt viele Menschen mit Existenzängsten und Verzweiflung auf den Winter blicken. Besonders Frauen in heterosexuellen Beziehungen werden aufgrund finanzieller Abhängigkeiten in klassischen Familienkonstrukten festgehalten und sind die Leidtragenden von gesellschaftlichem Druck.

Wie wir bereits zur krisenhaften Zeit der Coronapandemie erkennen konnten, waren Frauen hier massiv durch häusliche Gewalt gefährdet. Statistiken unterstreichen in dieser Zeit einen Anstieg von häuslicher Gewalt, wovon mehr als 80% der Frauen betroffen sind. Ein Anstieg von insgesamt 5%, der sich trotz schwerer Erreichbarkeit der Hilfsangebote und häuslicher Isolation aufgrund der Maßnahmen abzeichnete. Der bevorstehende Winter einhergehend mit Teuerungen, Energiekrise und den daraus folgenden spürbaren Konsequenzen für jede Einzelne von uns, wird nicht gerade dazu führen, dass mit entspannteren Wohnzimmeratmosphären zu rechnen ist.

Auch in vermeintlich gleichberechtigten heterosexuellen Partnerschaften ist zu beobachten, dass der Aufenthalt im Kreißsaal wie eine Zeitmaschine in eigentlich längst überwundene Zeiten der 50/60er Jahre wirkt. Besteht das Familienkonstrukt Mutter-Vater-Kind, übernehmen Frauen trotz teilweise gleicher Qualifikation den absoluten Hauptteil der unbezahlten Care-Arbeit und der Kindererziehung. Denn selbst das engagierteste Bemühen eine Beziehung gleichbehandelt zu gestalten, hebelt gesellschaftliche Verhältnisse, wie eine finanzielle Benachteiligung durch den Gender Pay Gap nicht aus und zwingt Frauen somit in die Rolle der Hausfrau. Durch gesellschaftliche Konstrukte wie die Ehe und das Ehegattensplitting werden ökonomische Abhängigkeiten gesetzlich zementiert und sind Nährboden für patriarchale Gewalt, sei es psychisch, emotional oder physisch.

Auch Frauen, die nicht in heterosexuellen Beziehungen leben, sind von den Folgen einer patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft und von dessen struktureller Gewalt enorm betroffen. Sie tragen die Teuerungen für Wohnraum und Nahrung z.B. als Alleinerziehende überwiegend allein und können als Mutter und Frau selten auf einen gut bezahlten Job hoffen.

Blicken wir neben den ökonomischen Begebenheiten auf das Freizeit- und Nachtleben von Frauen, können wir sehen, dass Vergewaltigung und sexualisierte Gewalt auch hier in Stuttgart für Frauen Alltag sind. In diesem Sommer versuchten drei Männer auf dem Stuttgarter Weindorf eine Frau zu vergewaltigen. In der Nähe der Haltestelle Neckartor wurde vor ein paar Wochen eine Frau auf ihrem Nachhauseweg von zwei Männern vergewaltigt. In Bad Cannstatt gab es im Sommer einen Femizid – eine Frau wurde von ihrem Ehemann ermordet. Diese Widerlichkeiten durch patriarchale Gewalt sind alltäglich. Eine gewisse Schuld wird in den meisten Fällen bei den Frauen gesucht: Die falsche Kleidung, der Rock zu kurz, die Uhrzeit zu spät oder der Ort zu dunkel.

Dass Frauen dafür gerügt oder mancherorts sogar getötet werden, wenn sie gegen solche unausgesprochenen bis hin zu gesetzlich verankerten patriarchalen Vorschriften verstoßen, hat uns die aktuelle Situation im Iran gezeigt. Mahsa Jina Amini wurde im September diesen Jahres von der Sittenpolizei in Teheran zu Tode geprügelt, da sie ihren Hijab nicht ordnungsgemäß getragen hat.

Die Probleme an der Wurzel packen!

In Zeiten eines Konglomerats dieser Begebenheiten, ist es für uns unabdingbar und wichtig, gegen diese Verhältnisse, die patriarchale Gewalt produzieren und reproduzieren, auf die Straße zu gehen. Alleine wir sind es, die dem etwas entgegensetzen können.

Die aktuellen sozialen Proteste im Iran, die auf den Tod von Mahsa Jina Amini entfacht sind, und die solidarischen Aktionen weltweit, zeigen, was es für eine Schlagkraft hat, wenn sich die Menschen erheben und solidarisch füreinander einstehen. Um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen und die Systematik anzugreifen ist es wichtig zu sehen, dass diese Verhältnisse Folge gesellschaftlicher Entwicklungen sind. Die Ursachen für diese Missstande und Unterdrückung sind tief in der patriarchalen und kapitalistischen Systematik verankert.

Gewalt gegen Frauen als diese zu benennen und zu bekämpfen hat für uns immer oberste Priorität, da wir jeden Tag davon betroffen sind und herrschende Krisen sich auf diese Verhältnisse weiter auswirken und sie verschlimmern.

Die scheinbare Naturgegebenheit von patriarchalen frauenunterdrückenden Gesetzen, Institutionen, Verhaltensweisen, Rollenbildern und Alltäglichkeiten muss hinterfragt und durchbrochen werden.

Um diesen Weg einzuschlagen…

… wollen wir traditionelle Rollenbilder aufbrechen. Dazu zählt für uns ebenfalls die volle Wahlmöglichkeit eines gesellschaftlichen Lebens auch fernab geltender familiärer Modelle, in der die Frauen meist in der fürsorglichen Rolle nur für andere da sind und dies oft zur völligen Selbstaufgabe ihrer selbst führt.

… müssen wir die hiesige Politik, Unternehmen und Konzerne in die Pflicht nehmen. Die aktuelle Energiekrise darf nicht auf unserem Rücken ausgetragen werden.

… sollten wir feministische linke Kämpfe weltweit betrachten, uns aufeinander beziehen, voneinander lernen und in Solidarität zusammenstehen.

… müssen wir patriarchale Gewalt als solche benennen, aufzeigen und hinterfragen. Die Verantwortlichen und die Täter müssen wir zur Verantwortung ziehen und uns zur Wehr setzen.

… wollen wir in Solidarität zusammen stehen uns gemeinsam bilden, vernetzen, stärken und diesem Normalzustand in den Weg stellen. Wir lassen uns das nicht mehr gefallen und wir sind damit nicht allein.

… fordern wir die Beseitigung gesellschaftlicher Regulierungen wie den Gender Pay Gap sowie die Aufhebung gesetzlich verankerter Abhängigkeit durch beispielsweise das Ehegattensplitting. Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit und gleiche Chancen, egal ob wir in einer Partner:innenschaft leben oder nicht.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft fernab einer patriarchalen und kapitalistischen Ordnung. Wir stehen ein für eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft, in der Herrschaftsstrukturen durchbrochen sind und es keine Unterdrückung mehr gibt!

Zusammen Kämpfen Stuttgart

November 2022

* Wir setzen das Wort Frau/Frauen für Personen, die sich als Frau definieren und/oder von der Gesellschaft als Frau gelesen werden und somit ähnliche Erfahrungen machen
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