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Frauenkampf

Der goldene Gaul ist ins Rathaus eingezogen!

So war die Kundgebung zur Übergabe des „unbedeutenden Negativpreis“ durch eine „sehr kleine Gruppierung“ (Zitat Sprecherin OB Nopper)

Der Goldene Gaul Award wurde am 15. April 2023 von der Feministischen Vernetzung Stuttgart, ein Zusammenschluss von uns und weiteren feministischen Gruppierungen und Einzelpersonen, an den Stuttgarter Bürgermeister Frank Nopper als grössten Sexisten des Jahres verliehen. Am Mittwochabend haben wir den Goldenen Gaul feierlich vor dem Rathaus symbolisch übergeben.

Ca. 120 Menschen versammelten sich, um den goldenen Gaul Award dem Gewinner feierlich zu überreichen und so ein Zeichen gegen Sexismus und Patriarchat zu setzen.

Die Teilnehmer*innen der Kundgebung hatten zudem nochmal die Möglichkeit, Grußkarten an Frank Nopper zu schreiben.

Nach einem kurzen Marsch wurden diese dann auch inklusive des Awards vor dem Rathaus dominant platziert und später in den Briefkasten der Stadt geworfen.

Wir lassen uns nicht klein halten und das rauskrakeelen von sexistischen Aussagen und Sexismus generell ist keine „Meinung“, wie die Sprecherin des OBs auf den Preis an Nopper antwortete, sondern Diskriminierung.

An die Sexisten da draußen, seid nicht traurig, dass ihr dieses Jahr leer ausgegangen seid. Der nächste Gaul Award kommt bestimmt!

Und bis dahin! Big Sister is watching you!

Wir sehen uns wieder!

Hallo liebe Mitstreiter*innen, Unterstützer*innen und Passant*innen,

bevor wir mit unserer Rede beginnen, wollen wir eine Triggerwarnung aussprechen, da wir Gewalt, Mord und sexualisierte Gewalt thematisieren.

5. Januar 2023, eine 46 Jährige Frau wird von ihrem Sohn so stark verletzt, dass sie im Krankenhaus an den Verletzungen stirbt. Ein Tag später, am 6. Januar 2023 wird eine 52 jährige Frau in ihrer Wohnung von ihrem Nachbar mit einer Machete attackiert und getötet. 11. Januar 2023, eine 59 jährige Frau wird von dem Ex-Partner ihrer Tochter, nach deren Trennung, erstochen. Auch die Tochter wird bei der Tat schwer verletzt. Zwei Tage später wird eine 24 jährige Frau von ihrem Lebensgefährten nach einem Streit erdrosselt und vom Balkon geworfen. Schon im Januar gab es bereits mindestens 5 Femizide in Deutschland.

1. Februar, 4. Februar, 9. Februar, 11. Februar. An jedem dieser Tage wurde eine Frau getötet. Am 14. Februar werden drei Frauen brutal getötet. Am Valentinstag. Zufall? Wir glauben kaum, 2 der 3 Taten wurden in einem partnerschaftlichen Kontext, in welchem eine Trennung im Raum stand, begangen. Gerade an dem vermeintlichen Tag der Liebe, kommen die patriarchalen Strukturen, die in Hetero-Beziehungen besonders wirken und der damit verbundenen Vorstellung des Besitzes und der Kontrolle über einen Menschen, zum Vorschein. Alle 72 Stunden wird eine Frau aufgrund ihres Geschlechts getötet. Jeden Tag erlebt eine Frau lebensgefährliche Gewalt, ausgeübt durch einen Mann. Bis heute gab es dieses Jahr in Deutschland bereits 36 Femizide. Hierbei handelt es sich weder um Beziehungsdramen noch um Einzelfälle wie es in den Medien in der Regel hin gestellt wird. Hinter dieser extremen Form der Gewalt steckt System. Ein patriarchales System, das in Gesetzen wie in Beziehungen wirkt und Machtgefälle und Abhängigkeiten erschafft und erhält. Auch hierüber, über sexualisierte und partnerschaftliche Gewalt und allgemein Gewalt gegen Frauen und weiblich gelesene Personen, sprechen wir, wenn wir über Sexismus sprechen.

Umso zynischer, kleinmachend und typisch ist es, dass die Pressesprecherin des Oberbürgermeisters die Begriffe „unbedeutend“ und „kleine Gruppierung“ in ihrem Statement zum Goldenen Gaul verwendete, um den Anschein zu erwecken, es würde hier nur um ein paar wenige Personen gehen mit belanglosen Problemen. Aber es betrifft uns alle. Einen Teil in eigener Betroffenheit und einen Teil in der Pflicht ein freies und selbstbestimmtes Leben fernab von Geschlechterungleichheit und patriarchalen Zwängen zu fordern. Die Betroffenheit zeigt sich in einer erschreckenden Breite. Am Tag gegen Gewalt an Frauen, haben wir als feministische Vernetzung eine Kundgebung im Stuttgarter Osten abgehalten. Bei dieser Kundgebung gab es die Möglichkeit, auf ein Transparent zu schreiben, wo uns überall patriarchale Gewalt begegnet. Die Antworten der Teilnehmer*innen waren zahlreich und spiegelten die Vielseitigkeit und Häufigkeit der Gewalt von der Frauen und weiblich gelesene Personen betroffen sind wieder: auf der Straße, im Gesetz, in der Sprache, auf der Arbeit, beim Feiern. Zusammengefast: das Patriachat betrifft uns ständig und überall. Wir können ihm nicht entfliehen und diese patriarchale Gewallt betrifft mindestens die Hälfte der Gesellschaft.

Sowohl die Personen, die von Sexismus und patriarchaler Unterdrückung betroffen sind, sind alles andere als wenige, als auch die Feminist*innen, die aktiv dagegen kämpfen. Allein in Stuttgart waren am 8. März, dem feministischen Kampftag, rund 7.000 Personen auf der Straße. Die feministische Bewegung und das Bewusststein für das unterdrückerische System, gegen das wir kämpfen, ist deutlich größer als es den Profiteuren des Systems, wie Nopper, lieb ist. Und wenn wir schon über vermeintlich unbedeutende Preise sprechen, dann wollen wir hier nicht unerwähnt lassen, dass Herr Nopper zwar keine Zeit und Wille hat sich vernünftig mit Sexismus zu beschäftigen, weder bei den Wasen-Debatten noch zur aktuellen Zeit, aber durchaus Zeit hat extra für Helene Fischer einen scheinbar sehr bedeutenden Preis zu übergeben, für fünf ausverkaufte Konzerte hintereinander in der Hanns-Martin-Schleyer Halle und ihr diesen medienwirksam zu übergeben. Definitiv sehr bedeutend für die Stadt Stuttgart. Vielleicht wäre es bedeutender sich mit Sexismus oder auch mit der Umbenennung der Hanns-Martin-Schleyer Halle zu beschäftigen, die nach einem NS- Funktionär benannt ist, aber unser OB sieht das wohl anders.

Noppers Sprecherin erklärt in ihrem Zitat auch, der Preis für Nopper als den Sexisten des Jahres wäre ein Angriff auf die Meinungsvielfalt in einer demokratischen Gesellschaft. (Es wurde heute bereits ein paar Mal gesagt und wir wollen es nochmal wiederholen:) Sexismus ist keine Meinung. Sexismus ist Diskriminierung. Sexismus befördert und ermöglicht Gewalt, ökonomische Ausbeutung, Abhängigkeitsverhältnisse, toxische Erwartungshaltungen und verhindert die freie Entfaltung aller Menschen. Auch hier wollen wir nochmal auf die Antworten eingehen, die verschiedenste Personen am Tag gegen Gewalt an Frauen gaben. Denn eine weitere Frage bei der Aktion war: Was würdet ihr machen, wenn ihr keine patriarchale Gewalt befürchten müsstet? Die Antworten: Nachts alleine rausgehen, alleine reisen, Platz einnehmen, laut sein, ohne Pfefferspray rausgehen, abends joggen gehen usw. Eigentlich alles ganz banale Dinge. Dinge über die sich die meisten Männer keine Gedanken machen müssen, da sie ganz selbstverständlich sind.

Wenn auf den Buden auf dem Wasen sexistische, rassistische und gewaltverherrlichende Bilder zu sehen sind und als normal geframt werden, wenn Stuttgarts Oberbürgermeister sagt, es gäbe doch wichtigere Themen. Wenn grölende Männer betrunken nach dem Wasen durch die Stadt ziehen, Personen hinter pfeifen, ungefragte übergriffige Kommentare abgeben und dazu beitragen, dass viele Frauen, trans und queere Personen in dieser Zeit versuchen Stuttgart zu meiden, dann wird das mit einem Schulterzucken hingenommen. Über die Laustärke und die Raumeinnahme stört sich keiner. Aber wenn wir das anprangern, wenn wir wütend sind, dass der Stuttgarter Oberbürgermeister solches Verhalten befeuert, in dem er Sexismus als Meinungsfreiheit darstellt und meint es gäbe weitaus wichtigere Themen als Sexismus und ein paar sexistische und gewaltverherrlichende Bilder auf den Wasenbuden wären kein Problem und wir das Ganze in unserer Wut und unserem Unverständnis über die herrschenden Verhältnisse als sexistische Kackscheiße bezeichnen, dann sind wir zu laut, hysterisch, nicht ernstzunehmend, niveaulos.

Laut der Sprecherin des OBs bewegen wir uns nämlich auf niedrigem Niveau, wenn wir von sexistischer Kackscheiße sprechen und das impliziert, dass es die Kritik nicht wert sei, gehört zu werden. Ein ganz klassisches Mittel konservativer, antifeministischer und reaktionärer Kräfte. Statt auf den Inhalt einzugehen, wird kritisiert wie der Inhalt vorgetragen wird. Das kennen wir aus der feministischen Geschichte und auch heute noch, in der vor allem Schwarzen Frauen gesagt wurde, sie wären zu wütend, zu laut und so versucht wurde und wird sie zum Schweigen zu bringen. Das kennen wir auch zu Genüge aus der Klimabewegung und aus unserem Lebensalltag, wenn es heißt die Reaktion auf sexistische oder übergriffige Aussagen und Handlungen sei zu extrem, zu wütend, zu unsachlich.

Wir sind nicht zu laut, zu wütend, zu niveaulos. Wir haben es satt, nicht ernst genommen zu werden. Wir haben es satt, dass die Lebensrealität von Millionen Menschen geleugnet wird. Wir haben es satt nicht gesehen zu werden.

In dem Statement von Noppers Sprecherin heißt es außerdem, dass dem, Zitat „Im Übrigen steht diesem fragwürdigen Preis, den eine sehr kleine Gruppierung verleiht, ein Positivpreis aus der Mitte der Gesellschaft entgegen – in Form unzähliger positiver Zuschriften, die der Oberbürgermeister im letzten Jahr für seine politische Haltung zu den genannten Themen erhielt“ Da fragen wir uns: Wer ist diese Mitte der Gesellschaft? Und seien wir mal ehrlich, wir alle kennen die lauten sofort aufkommenden Stimmen im öffentlichen Mainstream-Diskurs, wenn es um Feminismus, Geschlechtsidentitäten, Sexismus, Benachteiligung und ähnlichem geht und direkt ein wütendes Statement absetzen, die krakelen, dass Feminismus Männerhass sei, es bereits überall Gleichberechtigung gäbe und wenn dann werden doch eher mittlerweile Männer unterdrückt und man dürfe ja auch überhaupt nichts mehr sagen. Und es mag reine Spekulation sein, aber uns beschleicht die Vermutung, dass genau diese Personen, auch die sind von denen positive Zuschriften kommen, wenn Nopper mit „Schaffen statt gendern“ Wahlkampf betreibt oder Sexismus als unwichtiges Thema bezeichnet und andere Aussagen tätigt. Es liegt sehr nahe, dass ein Großteil dieser Menschen männlich ist, vermutlich weiß und vermutlich auch eher etwas älter. Und da fragen wir uns: ist das die Mitte der Gesellschaft? Manchmal könnte es einem so vorkommen, je nach Kontext sieht man sehr viele weiße Männer. Dass diese deswegen die Mitte oder Mehrheit der Gesellschaft seien, ist bewiesenermaßen falsch. Es ist eine Frage der Repräsentation, der Raumnahme, der Möglichkeiten öffentliche Diskurse zu führen und zu bestimmen sowie die Frage von Machtpositionen.

Und da schließt sich der Kreis: Es ist eine Folge des Patriarchats und der Unterdrückung von Frauen, weiblich gelesenen und queeren Menschen. Während wir, dank solch rückschrittlicher Statements, noch darüber diskutieren sollen, ob Sexismus zur Meinungsvielfalt gehört und Antisexismus damit ein Angriff auf die Demokratie ist, sollten wir uns viel eher fragen wie demokratisch es ist, wenn eben nicht die ganze Gesellschaft mitgedacht wird und teilhaben kann. Wenn Minderheiten und unterdrückte Menschengruppen übergangen werden. Wenn Ressourcen, Möglichkeiten, soziales, kulturelles und ökonomisches Kapital so ungleich verteilt sind. In unseren Augen sind unterdrückerische Systeme, Ausbeutung, Diskriminierung und soziale Ungleichheit ein Angriff auf wahre Demokratie.


Liebe Kundgebungsteilnehmer*innen,

die Sprecherin des Oberbürgermeisters reagierte unter anderem mit dem folgenden Satz auf die Verleihung des „Goldenen Gauls“:

„Wenn die Ausloberinnen sich öffentlich über „sexistische Kackscheiße“ aufregen, bewegen sie sich auf einem sehr niedrigen Niveau“

Damit zeigt Herr Nopper einmal mehr, dass auf ihn Verlass ist, wenn es um die Verteidigung des Patriarchats geht.
Qualifiziert hatte sich der Oberbürgermeister – wie ihr wisst – durch seinen immer wiederholenden negativen Umgang mit den Themen Sexismus und Geschlechtergerechtigkeit. Denn wenn irgendwo in dieser Stadt Verhältnisse kritisiert werden, welche Ursache und/oder Ausdruck der patriarchalen Lebensverhältnisse sind, unter denen Frauen und weiblich gelesene Personen leben müssen, sind Nopper und die Männer seiner CDU eine sichere Bank.

„Schaffen statt gendern“ war einer der Slogans, unter denen Nopper zur Wahl des OB antrat und von Beginn an klar machte, welche Prioritäten er und seine Partei in seiner Amtszeit haben werden. Bei ihm geht es noch um die wichtigen Themen, nicht um die Belange irgendwelcher Randgruppen, sondern um das einzig wirklich Bedeutende. Bei ihm geht‘s ums Gschäft.

Interessanterweise sind es gerade die Stuttgarter CDU und ihr OB, die versuchen, aus jeder Sprachregelung und noch so kleinen Veränderung einen Skandal und Kulturkampf zu zimmern: Schüler*innen sollen in Zukunft gendern dürfen. Nicht, wenn es nach ihnen geht: „Sprache kann man nicht politisch befehlen“ sagt die CDU dazu. Oder Thema Tampons auf allen Toiletten des Rathauses. Noppers Aussage dazu: „Stoppt den Wahnsinn“. Und die Verleihung eines Negativpreises an den OB wird mal eben als (Zitat) „ein Angriff auf die Meinungsvielfalt einer demokratischen Gesellschaft“ dargestellt. Doch bei all dem Geklapper, das die CDU veranstaltet, wenn irgendwo das Wort „gendern“ fällt, dürfte klar sein, dass es Nopper und Co hier weder um Sprache noch um Hygieneartikel geht. Das Kalkül dahinter ist einfach: Es wird eine künstliche Empörung über Kleinigkeiten geschaffen und versucht darüber ein grundlegendere Debatte abzuwürgen. Um ja nicht darüber sprechen zu müssen, welche Konsequenzen Sexismus und die herrschenden Geschlechterverhältnisse für diejenigen haben, welche ihnen tagtäglich ausgesetzt sind.

Denn gerade im Süden der BRD hegt und pflegt keine andere Partei die patriarchalen Strukturen der Gesellschaft mehr wie die CDU. Die althergebrachte Gesellschaft, in der die Menschen dank einer geschlechtlichen und hierarchischen Rollenverteilung noch wissen, wo ihr Platz ist und diesen nicht infrage stellen, soll laut CDU gepflegt und verteidigt werden. Und jedes Aufbegehren dagegen wird bekämpft. Sexualisierte und sexistische Darstellungen von Frauen auf einem Volksfest, das jedes Jahr durch sexuelle Übergriffe und Vergewaltigung Schlagzeilen macht, untersagen? Nicht mit der CDU! Das ist halt so, das war schon immer so, das ist halt Tradition! Und sowieso könne man den Betreiber*innen der Fahrgeschäfte eine solche Debatte jetzt nicht zumuten, die würden ja schließlich Geld verdienen müssen.

Und hier wird dann auch ein Schuh draus: Die CDU füllt seit eh und je ihre Rolle als Garant für eine „gute und starke Wirtschaft“ aus. So wird eine Gesellschaftsordnung aufrecht erhalten, die darauf ausgelegt ist, die besten Bedingungen für die Erwirtschaftung von Profiten von Konzernen und Unternehmen herzustellen. Dabei stellte es auch keinen Widerspruch dar, mit einem eigenen Wagen am CSD teilzunehmen, Regenbogenfahnen zu hissen und Lippenbekenntnisse gegen Sexismus, Frauen- und/oder Queerfeindlichkeit abzugeben. Das funktioniert aber eben immer nur so lange, wie es die Logik von Verwertung und Profitmaximierung nicht beeinträchtigt. Und somit greift die CDU eben auch immer wieder gern auf ein konservatives Weltbild zurück, in dem Frauen gerne den Großteil der Haushalts-, Sorge- und Erziehungsarbeit bei niedriger Bezahlung oder gleich umsonst verrichten. Und vor allem eines: Die Klappe zu halten haben.

Und die wichtigen Themen???

Ja, wie positionieren sich denn die CDU und der OB, wenn es um die von ihnen genannten wichtigen Themen geht? Ums Schaffen: Vor kurzem gingen die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst nach mehreren Streiks zu Ende. Einem Bereich, in dem vor allem in den Sparten Gesundheit und Pflege überproportional viele Frauen und weiblich gelesene Personen tätig sind. Wenn es um Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und Löhnen für sie geht, ist es still um den Oberbürgermeister. Und die Verhältnisse, welche durch ihren Sexismus unter anderem eine Lohnschere zwischen den Geschlechtern aufrecht erhalten, bleiben trotz der Lippenbekenntnisse unangetastet.

Aber es wäre nicht die Stuttgarter CDU, wenn sie die Verhältnisse nur ignorieren würde – nein, sie ist Teil des Problems. Wer sich einmal die Mühe macht und hinab in den Sumpf aus Social Media Profilen Stuttgarter Lokalpolitiker wie beispielsweise Thomas Rudolph oder Karl Christian Hausmann steigt, wird auf eine ganze Palette an Frauenfeindlichkeit, Rassismus und Sexismus stoßen.

Hier findet sich unter anderem ein Bezirksbeirat, der kein Problem hat, sich mit der AfD und Faschisten gemein zu machen, wenn es für ein Abtreibungsverbot oder gegen Sexualaufklärung in der Schule geht. Immer wieder wird ein Weltbild gepflegt, das deutlich zum Ausdruck bringt, dass Frauen hinter den Herd gehören, ab und an – wenn es dem Herrn beliebt – zur Verfügung zu stehen haben und ansonsten die Klappe halten sollen.

Und für den Oberbürgermeister Stuttgarts ist all dies eben Teil der demokratischen Meinungsvielfalt. Es lässt tief blicken, wenn er durch seine Sprecherin den Frauen und von Sexismus betroffenen Personen mitteilen lässt, dass wenn sie sich öffentlich über sexistische Kackscheiße aufregen, sie sich auf einem niedrigen Niveau bewegen. Wir bleiben dabei: Er hat seinen Preis verdient, der Herr Nopper. Anstatt als Oberbürgermeister die Belange aller Stuttgarter*innen im Blick zu haben und etwas zu verändern, geht er vermeintliche Probleme an, deren Lösungen aber das kapitalistische und partriarchale System weiter stützen. Er ist ein wahrlich stützendes Element der Gesellschaft, der Stuttgarter OB.

Umso wichtiger ist es, dass wir die uns unterdrückenden Verhältnisse erkennen, benennen und verändern. Sexistische und unterdrückende Verhaltensweisen wollen wir nicht einfach hinnehmen sondern aktiv angehen und verändern. Wir wollen Sand ins Getriebe der patriarchal-kapitalistischen Maschinerie bringen und Veränderungen erwirken, die einen Umbruch der Gesellschaft herbeiführen. Schritt für Schritt wollen wir hin zu einer solidarischen Gesellschaft fern von Ausbeutung und Unterdrückung.

Daher lasst uns auch weiterhin nicht leise sein, wenn Sexismus und Misogynie als normal deklariert werden.

Wir sagen: CDU einfach mal die Fresse halten! Euer Sexismus kotzt uns an!


Liebe Stuttgarter*innen, liebe Passant*innen,

wir sind heute hier, um auf die herrschende Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen und weiblich gelesene Personen, der wir täglich ausgesetzt sind, aufmerksam zu machen, sie beim Namen zu nennen und dieses System anzuprangern. Das Pferd hat einen Namen – Patriarchat.

Patriarchat bedeutet wörtlich „Väterherrschaft“ und beschreibt ein System von sozialen Beziehungen, maßgebenden Werten, Normen und Verhaltensmustern, das von Vätern und Männern geprägt, kontrolliert und repräsentiert wird. Kurz: die Herrschaft des Mannes über die Frau. Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaftsordnung, die uns die sogenannten klassischen und binären Rollenbilder von Männern und Frauen jeden Tag,

z.B. durch Medien und Fernsehen anpreist. Bis wir sie verinnerlicht haben und ebenfalls als erstrebenswert ansehen. Der Mann gilt als finanzieller Versorger, der nach außen wirkt und von der Familie unterstützt werden muss. Dadurch entsteht ein besonderes Machtverhältnis, welches ihm besondere Privilegien zugutekommen lässt. So z.B. familienunabhängige Freizeitgestaltung, Bestimmung über Finanzen, beruflich bedingte Wohnortwahl und Kindererziehung als „Hobby“. Frauen hingegen kümmern sich, weil dies angeblich in ihrer Natur liegt, um die Kinder und den Haushalt und fügen sich der Familie.

Das kapitalistische System, in dem wir leben, trägt ebenfalls zur Zementierung der Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern bei. Faktoren, warum es meist „logisch“ erscheint, dass Männer die finanzielle und wir die erzieherische und hauswirtschaftliche Versorgung in der Familie übernehmen sind z.B. die immer noch bestehende ungleiche Bezahlung der Geschlechter und die steuerrechtlichen Vorteile im Zusammenhang mit einer Eheschließung. Das Ehegattensplitting trägt dazu bei, dass es sich für uns Frauen und weiblich gelesene Personen oft weniger lohnenswert erscheint einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. Dadurch ergeben sich für uns aber wirtschaftliche Nachteile, die meist zu finanziellen Abhängigkeiten führen. Zusätzlich sind wir aufgrund des niedrigeren Einkommens und den Fehlzeiten durch Kindererziehung und Pflege von Angehörigen und den daraus resultierenden geringeren Rentenansprüchen, stärker von Altersarmut betroffen.

Patriarchale Strukturen durchziehen alle Gesellschaftsbereiche. Sei es von der Politik, in der wir immer noch von überproportional vielen alten weißen Männern vertreten werden sollen. Über die Gesetzgebung, die patriarchal geprägt ist und Rechtsnormen enthält, die von damals stammen und Frauen und weiblich gelesene Personen nicht als eigenständig handelnde Subjekte und Gebärmaschinen behandeln. Bis hin zur Medizin und Forschung, die den männlichen Körper als Norm auserkoren haben und somit Frauen und anderen Personen häufig keine auf ihren Körper angepasste medizinische Gesundheitsversorgung zur Verfügung stellt.

Das Patriarchat, in dem wir leben, basiert auf diesem System der Macht und Abhängigkeit und den festgeschriebenen Rollenbildern der Geschlechter. Die Herrschaft der Männer, die damit verbundene untergeordnete Rolle von Frauen und weiblich gelesenen Personen und die permanente gewaltvolle Unterdrückung sind so gegenwärtig, dass sie meist als naturgegeben hingenommen und gar nicht erst hinterfragt werden.

Wir leben auch heute noch in einer patriarchalen Gesellschaft, in der die Unmündigkeit von uns und damit einhergehend die Bevormundung und Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die Frau als Besitz der Familie, gezielte Abtreibung von weiblichen Föten, Beschneidungen, Zwangsheiraten und Versklavung an der Tagesordnung sind – vor unserer Haustür sowie weltweit.

Gewalt gegen Frauen und weiblich gelesene Personen ist ein immanenter und wichtiger Teil des Patriarchats. Jede 6. Frau hat in ihrem Leben körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erlebt. Gewalt wird in unserem kapitalistischen und patriarchalen System angewandt, um uns zu konditionieren, sei es in Partnerschaften, der Familie oder der Öffentlichkeit. Wir sollen den gesellschaftlich für uns zugedachten Rollenbildern entsprechen. Zum einen die Rolle der fürsorglichen und einfühlsamen Mutter – emotional, funktionsfähig und selbstlos. Zum anderen gleichzeitig schön und sexy, allzeit verfügbar aber nicht leicht zu haben zu sein. Wenn wir diesen Normen nicht entsprechen, müssen wir vermehrt mit Konsequenzen und Gewalt rechnen, um uns in ihre vorgeschriebenen Rollen zu zwingen.

Sei es durch blöde Sprüche in der Bahn, ungewollte Berührungen im Gedränge oder in einer Bar. Schlägen, wenn in der Beziehung keine Argumente mehr vorhanden sind oder sexuelle Nötigung, um die Macht über uns auszudrücken. Hinzu kommt das ständige GEFÜHL einer Bedrohung im öffentlichen Raum – das sogenannte kollektive Gedächtnis. Uns wird vermittelt, wir befänden uns in einem permanenten Zustand der Bedrohung, dem wir nur durch eigene Anpassung entkommen könnten. Uns wird von klein auf beigebracht, dass wir besonders nachts nicht alleine durch den Park laufen und uns nicht – wie so schön gesagt – „aufreizend“ kleiden sollen. „Der Rock nicht zu kurz“ – denn sonst könnten wir zu Opfern männlicher Übergriffe werden. Damit wird einfach immer wieder auf indirekte Weise vermittelt, dass wir zum Teil auch selbst schuld an Übergriffen seien. Schuld ist allein der Täter und ein System, in dem Täter durch patriarchale Strukturen geschützt werden.

Auch die sexistischen Bilder auf den Schaustellerständen auf dem Canstatter Wasen verharmlosen sexuelle Übergriffe und zeichnen misogyne Rollenbilder. Solche öffentlich ausgestellten Bilder können gesellschaftliche misogyne oder rassistische Narrative reproduzieren und verfestigen. Das Abtun der Debatte und der Aufruf zur Gelassenheit durch den Oberbürgermeister Frank Nopper zeigt, dass die Wichtigkeit der Bekämpfung von patriarchalen Strukturen und Sexismus noch nicht bei allen angekommen ist. Wir lassen uns nicht klein halten und lassen das nicht als „Meinung“ durchgehen. Diskriminierung ist keine Meinung!

Sexismus begegnet uns tagtäglich. Ob auf der Straße, wenn uns hinterhergepfiffen wird, bei der Arbeit, wenn uns von männlichen Kollegen ins Wort gefallen oder die Welt erklärt wird oder auch Zuhause, in der Familie oder im Freundes- und Bekanntenkreis.

Wir haben ein Anrecht darauf, ernst genommen zu werden in unseren Erfahrungen. Wir haben ein Anrecht auf ein gewaltfreies Leben ohne Unterdrückung und Gewalt. Um die Befreiung der Frau aus diesem Zustand zu erreichen, müssen wir die Gesellschaft verändern und mit ihr das Patriarchat bekämpfen. Wir wollen dagegen kämpfen und eine Veränderung schaffen. Wenn sich die Verhältnisse zwischen Individuum und Gesellschaft hier im öffentlichen Raum spiegeln – dann ist es auch ein guter Ort, um die Verhältnisse anzugehen und zu verändern.

Um uns Räume zurück zu erkämpfen, ist es wichtig sichtbar zu sein – so wie wir heute hier zusammen. Heute nehmen wir uns einen Teil des öffentlichen Raums um zu verdeutlichen, dass wir Sexismus und patriarchale Unterdrückung und Gewalt so nicht mehr hinnehmen wollen. Zusammen stehen wir gegen die Verhältnisse, die uns unterdrücken ein, wir tauschen uns aus, diskutieren und solidarisieren uns miteinander.

Denn Frauen die kämpfen sind Frauen die leben, lasst uns das System aus den Angeln heben.

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